Längst ist HEINER GOEBBELS bei seinem langen Marsch von der Frankfurter Spontiszene durch die Institutionen angekommen bei der Goetheplakette der Stadt Frankfurt, dem Hessischen Kulturpreis und der Präsidentschaft der Hessischen Theaterakademie, mehr als verdient.
Die Fotos auf Hommage/Vier Fäuste für Hanns Eisler + Vom Sprengen des Gartens (ReR GH1, 2 x CD) zeigen ihn als wuschelköpfigen Twen, der mit Piano und Akkordeon Bach, Rameau und Schumann mit Nino Rota und vor allem mit Eislermaterial kurz schloss.
An seiner Seite der Saxophon- & Klarinettist ALFRED HARTH, mit Jahrgang 1949 der um drei Jahre ältere Kompagnon einer Produktionsdyade, die von 1974-88 Bestand hatte. Bevor die beiden sich auch im Sogenannten Linksradikalen Blasorchester
zusammentaten, hatte Harth schon mit "just music" und "E.M.T."
(Energy/Movement/Totale) internationale Freejazzerfahrungen gesammelt.
Die Eisler-Hommage entstand im Oktober 1976, die Scheibe mit den
Gorlebendemonstranten auf dem Cover 1978/79, beide erschienen sie in
der SAJ-Reihe von FMP, in der Jost Gebers auch schon Canadian Cup of
Coffee von E.M.T. herausgebracht hatte. Das Rezept dabei war irre,
Eisler reimte sich plötzlich auf Albert Ayler. G & H spielten Trinità
und Bambino, dass es im Westend nur so staubte. Nicht Kraut war
Inspirationsquelle, sondern Brecht. Wenn es keine deutsche
Populär-Kunsttradition mehr gab, musste man sie eben neu erfinden. ‚Zur
Überwindung von Schwierigkeiten‘, gegen Städtetod, Atommüll, bleierne
Zeit deklarierten die beiden schlicht: ‚So, das ist, was wir brauchen‘.
‚Vorwärts!‘, der ‚Sieg im Volkslied!‘ ist zum Be-Greifen nah. In Harth
fand Goebbels das ideale Megaphon, er konnte wie kein zweiter
hierzulande wilde Töne spucken, die ganz den Geist der ‚October
Revolution in Jazz‘ atmeten, zur Kirchenorgel einen Bach-Choral
anstimmen und mit dem nächsten Atemzug die zartesten Melodiechen
summen. Selten klangen Ratschläge lustvoller, ‚Rock gegen Rechts‘
intelligenter, Notwendigkeit bewegender.
1981 folgten "Es herrscht Uhu im Land" (Japo), Bertold Brecht: "Zeit wird
knapp" (Tonstudio Zuckerfabrik) un"d auf Riskant "Indianer für Morgn", 1982 das Cassiber-Debut "Man or Monkey. Bis hin zu "Live à Victoriaville"
(Victo, 1987). Da waren Eislers ‚Der zerrissene Rock‘ und ‚Die haltbare
Graugans‘ und ‚Le Rappel des Oiseaux‘ dann schon immer wieder gern
gehörte G & H-‘Standards‘. Die Leistung bestand darin, nicht einfach
Klassik für die Werktätigen zu verjazzen. Man fand vielmehr einen
gemeinsamen Nenner zwischen den europäischen und amerikanischen Stoffen und Formen, zwischen gehobenen und gefallenen Kulturgütern darin, sie als urbane Gassenhauer zu präsentieren und als Medium menschlicher Bedürfnisse, ohne populistische Verarschung.
„Und übersieh mir nicht
Zwischen den Blumen das Unkraut, das auch Durst hat“, hatte Brecht
empfohlen (‚Vom Sprengen des Gartens‘). Vogelfreie ‚Krähenmusik‘ ließ
dem Unkraut Flügel wachsen. Dazu brauchte es keine Worte. Die
‚Botschaft‘, der Widerstand gegen Nazitum in jeder Gestalt, sprudelte
aus Melodie & Rhythmus, mit der Eloquenz eines Heinrich Heine, an den
Goebbels bei seinem ‚Bis bald, Calypso‘ gedacht hatte. Der einst so
brechtianisch bestellte Garten ist zur Müllkippe verkommen, als
Parkplatz geplättet. Aber Unkraut vergeht nicht.
[ba 56 rbd]
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