zeigt ONJO, Otomo Yoshihide‘s New Jazz Orchestra, in Berlin, Tokyo, Kyoto und Nagoya, schwankend zwischen 10- und 35-köpfiger, weitestgehend fernöstlicher Besetzung, inklusive dem Neosüdkoreaner Alfred Harth. Neben Eric Dolphy, von dem ‚Out To
Lunch‘, ‚Straight Up And Down‘ und ‚Hat And Beard‘ (Vol.1) sowie
‚Something Sweet, Something Tender‘ in einer ganz schwebenden und
‚Gazzelloni‘ in einer enorm fetzigen Version erklingen (Vol.2), ist
Yamashita Takeo (1930-2005), ein Komponist von populärer TV-Musik, von
der jedes japanische Kind in den 60ern und frühen 70ern geprägt wurde,
einer der ästhetischen Brennpunkte dieser Konzertreihe, die Yoshihides
musikalischen Werdegang ausfaltet. Yoshihide hatte Yamashita schon mit
Plays the Music of (1999) Tribut gezollt und damit seine
ONJQ-ONJE-ONJO-Lawine ins Rollen gebracht. Dolphys Jazz, dem er in
Jazz-Kaffeehäusern gelauscht und dafür Schule und Studium geschwänzt
hatte, und die unbewusster eingelagerten TV-Soundtracks waren für
Yoshihide nicht nur prägend, sie öffneten ihm auch Auswege aus dem
Zwiespalt zwischen dem New-Directions-Gitarristen Takayanagi Masayuki
als lähmendem Übervater und dem Gefühl, ihn ‚verraten‘ zu haben, erst
durch Ground-Zero, dann, nun auch Ground-Zeros überdrüssig, durch
onkyo. Yamashita öffnet einen Zugang für poppiges oder ätherisches Easy
Listening (‚Playgirl BGM‘‚ ‚Super Jetter‘), für kayokyoku, japanische
Schlagermusik (‚Lost In The Rain‘) und trashige Action (‚Lupin The
Third/Afro Lupin ‘68‘). Kahimi Karies Stimme ist eine Hauptzutat in
Yoshihides Metafusion seiner musikalischen Erfahrungen und Vorlieben,
Elektronik eine zweite, vertreten durch Sachiko M (sinewaves) und Unami
Taku (computer), furiose Bläser die dritte (Alfred Harth, Tsugami
Kenta, Okura Masahiko) und akustische Finessen eine vierte (Vibraphon,
Sho), wobei in Tokyo für die sublimen ‚Command‘-Performances ein ganzes
Bündel von Strings das Orchestra verstärkte. Mit dem Abgleich der
beiden prachtvollen Versionen des Medleys ‚Mayonaka no Shizukana Kuroi
no Ue ni / Ukabiagaru Shiroi Yuri no Hana‘ könnte man Wochen zubringen.
Wollte man ONJO überblenden mit der Territory Band, dem Brötzmann
Chicago Tentet oder den Bigbands von Satoko Fujii, dann sind die Vocals
ein Surplus, die statt durch japanischen Exotismus mit französischem
Charme becircen. Mehr noch aber macht der Anklang von Legrand und
Mancini, das Ausschweifen in Sweetness, der schwelgerische Duktus von
Jim O‘Rourkes selig machendem ‚Eureka‘ als gehauchtem Chanson und
Yoshihides eigenem ‚Climbers High Opening‘, seinen Synkretismus so
attraktiv, so einnehmend. Wie Posaune und Sho die Berliner Version von
Yamashitas ‚Namida kara Ashita e‘ einleiten und dazu Morricone-Singsang
ertönt, den erst Kentas Alto, dann Harths Tenorsax bluesig
weiterspinnen zu Spacewhispers aus drei Frauenkehlen, das ist freiweg
herzensbrecherisch. Mit elastischen Bändern hält Yoshihides
Arrangierkunst eine Balance zwischen stimmungsmalerischer Impression
und expressiven, maximalistischen Momenten, der kompositorischen
Thematik und der Erfindungskraft seiner Mitmusiker, die Jazz als
Universalsprache der Gefühle wie ihre Muttersprache sprechen.
Yoshihides Agenda richtet sich, ähnlich wie bei Ken Vandermark, darauf,
mit seiner Musik nicht hehren Zielen zu dienen, und seien es so
ehrenwerte wie der Protest gegen Unterdrückung und Krieg, sondern
Wurzeln im Alltag zu schlagen, nah zu sein an den Dingen des Lebens,
Essen, Trinken, Feierabend. Wo er politisch steht, zeigt Yoshihide mit
der Spoken-Word-Version von Victor Jaras ‚Te recuerdo Amanda‘ und
Charlie Hadens ‚Song for Ché‘; wie man Energie bündelt mit dem mit
7-fachen Electronics forcierten donnergöttlichen ‚ANODEONJO‘ (Vol.2).
Mit dem Ayleresken ‚Climbers High Ending‘ endet ONJO als ausgelassene
Funeral Band, die sich und allen in Hörweite die Hochgenüsse von
Schlaraffenland gönnt - HIER und JETZT.
[ba 56 rbd]
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