Der Bezug ist klar, Eric Dolphys Blue-Note-Klassiker, 1964
verewigt mit Freddie Hubbard, Bobby Hutcherson, Richard Davis und Tony
Williams. ONJO spielte 41 Jahre später eine komplette Neufassung ein,
zu der Otomo angeregt wurde durch Erinnerungen an die Jazzaficionados
Tonoyama Taiji & Shimizu Toshihiko und an seine eigenen frühen Jahre
als Jazzkellerassel Ende der 70er/Anfang der 80er. Für die Neufassung
stand ihm statt seinem Quintett mit Mizutani Hiroaki am Bass und
Yoshigaki Yasuhiro an den Drums ein ganzes internationales Ensemble zur
Verfügung mit Axel Dörner (tp), Alfred Harth (bass-clarinet, tenor
sax), Mats Gustafsson (baritone sax), Cor Fuhler (piano) und Takara
Kumiko (vibraphone), weiteren Saxophons, Posaune, Sho und Electronics.
Der Auftakter ‚Hat And Beard‘ mit seinem markanten Head - die Revision
folgt übrigens der Reihenfolge des Originals - stand schon auf dem
Repertoire des ONJQ und schickt Dörner auf die Spuren von Hubbard und
Alfred Harth zeigt hier schon kurz und ausgiebig dann beim
nachfolgenden ‚Something Sweet, Something Tender‘, was für eine
atemberaubende Bassklarinette von freiweg Dolphy‘eskem Zuschnitt er
bläst. Gustafssons Bariton spotzt seine unverwechselbaren Töne und der
Noise, der aus allen Winkeln dieses elektroakustischen Orchesters
glitzert und stichelt, macht den Zeitsprung deutlich, der an Jazz
keineswegs so spurlos vorüber ging wie einem manche weiß machen
möchten. ‚Gazzelloni‘ ist der Fetzer des Sets, komprimierter Jazzcore
mit Powerdrums, Otomos Last-Exit-Gitarre, heiß laufenden Electronics
und Over-the-Top-Gebläse, ein Heidenspaß mit Dr. Umezu-Schmauchspur!
Beim Titelstück kehrt sich, während die Oberfläche noch zivilisiert
swingt, mehr und mehr das Innerste nach außen, Bass und Vibraphon
walken stoisch der Nase nach, und der Rest der Truppe probt die
kakophone Himmelfahrt mit dem Diabolus in musica als Leader of the
Pack. Was uns zu ‚Straight Up And Down‘ bringt, von Otomo mit ‚Will Be
Back‘ auf gut 27 Min. gestreckt. Aus dem prächtigen Hornarrangement
entfaltet sich eine Demonstration dessen, was ‚Jazz‘ nach dem Tod von
Jazz anstellen kann, wenn er sich nicht postmodern und epigonal
schniegelt, sondern verbündet mit Dröhnelektronik, unkastrierter Musica
Nova und neo- und metafreier Energie, die Stille konsequent mit
einschließt. Das ist dann schon auch ein Härtetest für Gemüter, die
gern Erfahrung mit Spektakel verwechseln. Ob Dolphy selbst mit einer
derartigen ‚Outness‘ klar gekommen wäre oder sich lieber mit einem ‚Out
to Lunch‘ verdrückt hätte? Manche versuchen auf Riesen zu reiten,
andere kriechen ihnen zu Füßen. Otomo dagegen würde Meister Kaios
Wohlgefallen finden.
[ba 50 rbd]
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen