E.M.T. 1973 auf der Bandcamp-Seite von Sven-Åke Johansson

 Alfred Harth, der ja zu SÅJs 80. Geburtstag im November '23 „Heteronyms“ zu Gehör ge­bracht hat [https://alfred23harth.bandcamp.com], 2007 im Trio mit Uwe Oberg (BA 122), gab mir den Hinweis auf die Bandcamp-Seite von Sven-Åke Johansson. Die ist nicht nur eine wahre Fundgrube, in der seine zahllosen Musikprojekte zwischen Fluxus, Free Post­modernism und Ny Musikk umeinanderpurzeln, von der „Trilogie für Windgeneratoren“ und dem „Konzert für 12 Traktoren“ bis zum SÅJ Quartet mit Tristan Honsinger, Günter Christmann & Wolfgang Fuchs 1989 live im „Eiszeit Kino“ Berlin und „In Ulrichsberg 1991“ und und und. Er fächert da sein überreiches Lebenswerk auf von BBQ, dem Bergisch-Brandenburgischen Quartett, und den Duetten mit Rüdiger Carl, Alexander von Schlip­penbach, Ignaz Schick, Jan Jelinek oder Michael Renkel bis zu all that Dschäss mit Night and Day, Hudson Riv, dem Cool Quartet oder Ol' Man Rebop Ensemble. Dort findet man neben Klassikern wie „For Adolphe Sax“ (1967) im Peter Brötzmann Trio, dem Drumsolo „Schlingerland / Dynamische Schwingungen“ (1972) oder „Djungelmusik med sång“ (2000) mit Carl nunmehr auch die 4-teilige Edition „EMT 1973“ (digital). Mit – wie auf der LP Ca­nadien Cup of Coffee“ (FMP, 1974) – dem bloßen Trio mit Alfred Harth (ts, as, ss, clarinets, flutes, zither, nafir, cowbell, khaen, gong, bells) und Nicole van den Plas (Piano) in der Fabrik Hamburg. Sowie zu fünft mit noch Jean van den Plas (double bass) und Helmuth Neumann (Trompete, Schalmei) bzw. – in Frankfurt – mit Hans Schwindt (alto sax) und Nicole dabei jeweils an elektronischer Orgel. Hätte ich diese extraordinäre Musik damals als Abiturient schon gekannt, wären mir die 70er als gruselige Jahre der Entfremdung und Desorientierung erspart geblieben? Hätte mir die von rüttelndem Drumming und fiebern­dem Pizzicato vibrierende Musik mit schmetternder Trompete, schillernder Orgel und zwischen Feuer, Feeling und Katzmiau schlingernden Reeds mit ihrem Aufbruchsangebot eine Abkürzung hin zu etwas mehr Sinn und Verstand beschert? Oder mich erstmal nur als Feldmaus noch mehr verschreckt? Mit heißen Ohren und von schrägen Frequenzen prickelnder Kopfhaut durch SÅJ als Hornist der dadaistischen Krawallerie und animali­schem Blech-, Propeller- und Knüppel-aus-dem-Sack-Trommler und durch van den Plas' cecil-tayloreskem Tastenwirbel. Das wäre was gewesen, wenn Harth zu Zither singend, mit Sonnenaufgangs-Gongschlägen, energisch geschüttelten Glocken, der Khaen als Mundharmonika, sprudelndem Soprano, aber vor allem der ayleresken Tenorsaxhymnik mich da schon hätte kicken können wie später dann hoch x mit Cassiber. Ohne diese Er­fahrung vergingen noch 10 Jahre und erst Barbara Thompson's Paraphernalia und Charlie Mariano (im Stadttheater Würzburg) trugen mich hin zu Brötzmann und zur Skeleton Crew (im Bursekeller). „EMT 1973“ ist im Mut zu Dada, zu Brüchen, Fragmenten, Zitaten und grenzübersteigendem Anything goes und als Link zu Goebbels-Harth und Cassiber jeden­falls ein Hörtipp, der für allerhand Erstaunen gut sein dürfte. [BA 124 rbd]