Alfred 23 Harth: THE PUNKJAZZ GROUP

 

Die kulturelle Standortqualität ist mittlerweile dAS Bobo-Kriterium. Franfurt am Main hat da gepunktet mit dem Museumsufer, der Städelschule, der Schirn, der Buchmesse, dem Jazzfestival, Jazz im Palmengarten, dem Ballett einst mit Forsyth und Fabre, dem Theater am Turm (bis 2004) mit Stücken von Heiner Goebbels, als Technohotspot mit Sven Väth, Force Inc. Doch als Gunst für Frankfurt hat Alfred Harth sehr schön die treffliche Lage vermerkt mit: im Osten die GI-Clubs mit Jazz, R&B und den Monks, im Süden die Darmstädter Ferienkurse, im Westen die Fluxusbewegung in Wiesbaden, im Norden die documenta in Kassel. Neben dem Duo Goebbels/Harth (1975-1988) machte A23H da mittendrin noch allerhand eigenen Wirbel, meist mit dem zuletzt noch in Gestalt Et Jive involvierten Drummer Uwe Schmitt an der Seite: als Medial Move, im Buschi Niebergall Trio, bei Abrazzo Oper und dem Nontett Reklame der Wirklichkeit.

Und mittendrin - 1979 -, mit noch Christoph Anders - vox, Nicole van den Plas (von E.M.T.) - farfisa organ, Frank Diedrich - bass git. und Peter Kuhlmann - git. in THE PUNKJAZZ GROUP. Für Harth und Anders war das ein Durchlauferhitzer hin zu Cassiber, für Kuhlmann, da noch keine 19, die musikalische Entjungferung. Nicht dran zu denken, dass aus ihm jenseits des Jazzrocks mit Romantic Warrior der ambient-pluriversale FAX-Macher Pete Namlook werden würde. Aber das ist eine andere Geschichte und eine traurige dazu, denn er ist 2012 mit noch nicht mal 52 an einem Herzinfarkt gestorben. Wir reden hier aber von jenen Zeiten, in denen sich Frankfurt statt auf Zoo, Flughafen, Mainhattan oder Mille Plateaux auf Pflasterstrand, Fronttheater und Batschkapp, kurz: auf Sponti-Bewegung reimte und das Sogenannte Links- radikale Blasorchester mit gelben Birnen schmiss.

1979 war nach dem Revoluzzer-, Putztruppler- und Indianer-Sein das Punk-Werden angesagt - "die intelligenteren Ausdrucksweisen von Punk" (also 'Studentenmusik') [faktisch klang's in Ffm wie auf dem Kassetten-Label Walters Lust - Bildstörung (mit Peter Prochir) oder Toto Lotto (mit Anders)...; Eric Hysteric spuckte als Möchtegern-Pop-Analphabet nach Vomit Visions auch mit The Esoterics auf "Späthippies und Möchtegern-Intellektuelle", die 'echten' Punks moschten zu Middle Class Fantasies und Böhse Onkelz im JUZ Bockenheim]. Politik in erster Person, lautete die neue Sponti-Parole. Aber wie geht das, halstief im 'Sumpf', durch die Kommerzmangel gedreht und nix als herbstgraue Wolken überm Scheitel? Ziemlich anders als der Tunix-Sound (Missus Beastly, Embryo, Teller Bunte Knete) und der Trikont-'Stunkfolk'. Und statt post-Stammheim-depressiv mit einem trotzigen Y Not (alfred23harth.bandcamp.com/album/y-not). Mit der Ermutigung wohl durch No Wave und die Funk-Punk-Contorsions von James Chance, mit deklamatorischem Gesang auf Englisch, aber auch schnittig abgezirkeltem Tenorsaxzickzack von Harth & Anders zusammen, knackig rhythmisiert, mit knurrigem Bass, gitarristischen Splitterchen (aber auch bluesrockigen Einwürfen). Als 'Kollision der Genres' und "erkennbare melodische und rhythmische Strukturen" wurde das dann bei Cassiber programmatisch. Anders' Verve, teils spontan artikuliert, streift öfters ans Schreien, ebenso wenn er altissimo fiept zu Harths Bassklarinette und Vokalisation von van den Plas. Simple Muster, rock'n'rollige Anklänge und Seehundcluster oder Zweifingerfarfisa im spöttischen Widerspruch zu Harths Sopranotirili proben, im groovigen Motion-Emotion-Taumel die Nestflucht vom Jazz in ein Mainhattan-Vorgefühl. I was feeling sick / I was losing my mind. / Gimmegimmegimme a shock-treatment / I get happyhappyhappy all the time. Definitiv 'punkig' sind die immer wieder abreißenden Kassettenfetzen aus dem Bunker Bornheim. Das lässt einen flippern von 'Chevrolet' zu Chor- 'Gesang', zum wilden Jam mit Saxfeuer, 10-Finger-Orgel, Psychgitarre und flehend geschrienem So alone So alone (mit zuckenden Störgeräuschen als krassem V-Effekt).

 [BA 109 rbd]

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