Summer, a time (LP M22, CD-R)‚ recorded at Voice Of Asia Festival, Jeonju, Southkorea, 2004‘, zeigt das Miteinander und die Reibungsflächen west-östlicher Stegreifmusik in drei Konstellationen. Den Auftakt machen Mukai Chie (Kogun) & Kang Eun-Il (Haegum = kr. Fiedel) in der Begegnung mit den alten Uludag-Kämpen Helmut Bieler-Wendt (Piano) & Peter Hollinger (Drums), mit Alfred 23 Harth am Altosax als Go-Between. In einer längeren ‚Suite‘ zeigt er sich dann als Lyriker und als Joker in einem fernöstlichen Kreis mit Park Chang Soo (Piano), Choi Sun Bae (electric trumpet) & Xu Fengxia (Guzheng & Gesang), mit Xu als Prima Donna inter pares, was das Temperament angeht. Da fliegen die gehämmerten, geharkten, gekirrten Töne einem entgegen wie Kamikaze-Ufos, völlig außer Rand und Band. Gershwins ‚Summertime‘ klingt danach - von Choi durchfaucht und durchfurzelt, als hätte er Kondo & Evans als einen Bissen verschluckt - wie vom Hitzschlag getroffen und ziemlich... koreanisch? Den ‚Epilogue‘ bestreiten Choi, Kang, Xu, Bieler-Wendt mit Mike Turnbull an Percussion, gefolgt von einem kurzen, kontrastreichen Choi-Solo. Die Stimme Asiens? Mir klingeln die Ohren.
In BA 63, Rigobert Dittmann
Raub / Yaktal (Laubhuette Production LPM23)
Ein weiteres Festival-Highlight hält Raub / Yaktal (LP M23, CD-R) fest, das Quartett von Alfred 23 Harth (DJing, synth, reeds, voice, misc., Dochirak con arco) mit Choi Sun Bae (electric trumpet, mouthharp), Helmut Bieler-Wendt (violin, piano) & Kojima Takashi (laptop). Die Musik hallt - wie auch T_error & kr ./. jp (2005) - wider von Harths Empörung über den brutalen Raubbau Japans an Korea. Anders als die Improvisationen auf Summer, a time ist sie ein wildes Klangchiaroscuro aus gestopft schmauchender Trompete, geschabten Geigenstrichen, insbesondere aber aus Harths Turntable-Samples & - Loops und den Laptopgranulationen. Wasser umbrodelt einen schleifenden Loop, Geflüster ist perkussiv umklappert, die Trompete schwebt über einem Groove-Drehwurm. Ich beginne zu begreifen, was Harth an Taste Tribes fasziniert. Ferner Operngesang, Getrommel, Geigengeraspel, raues Schnauben, Krimskrams, Scherbengeklirr. Jetzt wieder Electrobeatz, ein knurschiger Groove, dunkles Gebläse dazu, prasselnde Vinylknackser als Knochenmühle, die Trompete ganz verweht, ein Saxophon, gepresst und zerhackt. Dann plötzlich peitschende Beats, zerschrillte Trompete, Alarmimpulse, Scratches, Geigengewimmer, Aufstand! Das ist Improlectro, der als Mindfuck seinesgleichen sucht.
In BA 63, Rigobert Dittmann
In BA 63, Rigobert Dittmann
LAUB (Laubhuette Production LPM16)
Mit LAUB (LP M16, CD-R) setzt ALFRED 23 HARTH seine elektroakustischen, radiophonen Collagen über das Audiotop Korea fort. Ich nenne das einfach mal ‚Verdichtungen‘, Zwitter aus Poesie und Schichtung, Pressung. Tatsächlich ist ein Liebesgedicht eingemischt in das Roaratorio aus Straßenlärm, Gesängen, Gekläff einer Hundefarm. Melancholisches Gezupfe, das sich gegen den Zeitlauf sträubt, und ein schwindelerregend hoher Strington illustrieren einen Zustand der ‚Nonunhappiness‘, das ich mir als wunschloses Unglück besser vorstellen kann denn als stoisches Gleichgewicht. Jazzsaxophon mischt sich mit Bahnhofsatmosphäre, ein Basslauf wird überrauscht, überquäkt, und aus einem ‚Domestic Stories Remix‘ sticht die Stimme von Dagmar Krause heraus. Die hohen Strings mischen sich mit brodeligem Gewummer oder krümpeliger Klarinette, Spielautomatengeballer und ein schleifender Loop mit Yun Isangs ‚Piri‘-Klarinette, Wind, Stimmengewirr, elektronischem Gejaule, geisterhaft fernem Gesang, Kampfgeschrei aus einem Eastern. Nichts ist exklusiv in diesem urban-medialen Mix, der in einem Dreamscape ausläuft, den, inmitten aller Unklarheit mit ihrem unruhigen Eigenleben, Klarinettentristesse umflort, wie mit schwarzen Lippen geblasen. Harth hat weit offene Tagtraumaugen und Ohren für absurde und ästhetizistische Züge des Trivialen. Der Alltag selbst ist ein Wildstyle-DJ. LAUB macht das nur deutlich.
In BA 63, Rigobert Dittmann
In BA 63, Rigobert Dittmann
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