Genau zwischen dem starken Eindruck, den Jeremiah Cymerman mit Klarinette & Laptop live hinterließ und ‚Frankfurt - Beijing - Seoul‘, Harry Lachners NOWJazz-Porträt von A23H, erreicht mich, via San Antonio, TX, ein neues EAI-Statement aus dessen koreanischer Laubhütte. Mit Saxophonen & Bassklarinette + Contact Mics + Kaoss Pad/Laptop-Wizardry + X spielt Harth seine unpuristischen Versionen von ‚bodhi & seoul‘ - ohne Twist of words & mind geht bei ihm nichts. Von gefühlsecht bis cybertechnoid verlängert er damit seine bereits mit Plan Eden (1987) initiierten und mit msp.eII (2008) durchlauferhitzten Demonstrationen, was Materialfortschrittlichkeit bedeuten sollte. Mit auch wieder autobiographischer Emphase unterlegt er einige der massiv verdichteten und anspielungsreich gesättigten Multitracking-Tracks mit der eigenen Tonband- oder Altosaxstimme von 1972, seinem 23. Lebensjahr. X steht für Stimme, Flöte oder Gitarre. Und für eXtended techniques. Anspielungen evozieren Rimbaud, Orwell, den MaschinenintelligenzproGnostiker Ray Kurzweil, den bewusstseinserweiternden Terrence McKenna, setzen also die Sonic-Fiction-Segel für eine trunkene, phantastische Reise in die Zukunft des Homos@piens. ‚Doublespeak‘, der extraordinärste Track, mixt hyperbabylonisch und mit veräppelndem Witz D.T. Suzukis Einhandklatschen mit der Eidechsen mausenden Katze des aufgeblasenen Fotokünstlers Nobuyoshi Araki, Opernarien mit koreanischem Gagok, Geflöte mit Madame Blavatsky beim Bauchtanz. ‚Surplussed I-IV‘ mikrowellenerhitzt Altosound in der eigenen Spucke auf immer höheren Hitzestufen. Aber Harths Tenorsax kann danach pur nicht weniger harth klingen. Dass sein Ton & Timbre zu den herzhaftesten, aber auch reflektiertesten unserer Zeit gehören, ist leider etwas in Vergessenheit geraten. Allerdings versteckt er sie gern unter Noise und irritiert mit V-Effekten, etwa losem Maulwerk oder Houyhnhnm-Gesang. ‚Chukyo‘ und ‚Paleomagnetic anomalities‘ durchsetzen Bassklarinettenursonaten oder Mikrogeschmurgel und -gezülle mit klappenmechanischem Gerumpel oder ‚Orgel‘-Clustern. Jedes der 23 hoch 23 Härchen ist hier bis zur Wurzel vollgesaugt mit quecksilbriger Postmodernität und quickem, bewusstseinserheiterndem Witz. Telekom and Getz IT, es gibt nur 123 Exemplare.
In BA 69, Rigobert Dittmann
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