HARTH / SEIDEL / SPERA / VAN DEN PLAS Malcha (Moloko+, Plus087)

Kernstück dieser wie koreanischer grüner Tee aufgeschäumten Musik ist eine Session von Alfred Harth, Wolfgang Seidel & Fabrizio Spera am 13.11.2015 in Wedding. Die freilich nicht denkbar wäre ohne das Hintergrundrauschen von Seidels 'Total Freier Musik' mit Conrad Schnitzler und Harths 'herrschaftsfreier Musik' mit Just Music, das bereits Anfang der 80er schon mal zusammen­gerauscht ist, als Harth mit Seidels Populäre Mechanik improvisierte. Vermittelt wurde das durch eine Beuys-Connection von Schnitzler und Harth, der 25 Jahre später sein Projekt mit Spera wiederum mit Beuys-Spirit 7k Oaks taufte. Virtuell waren Harth & Seidel sich bereits für "Five Eyes" (Moloko+, 2014) wieder nahegekommen, diesmal also von Angesicht zu Angesicht. Allerdings mit massiver Nachbereitung des Sessionmaterials im Harths Seouler Laubhuette. Insbesondere infiltrierte es den Sound seiner Saxophone, von Seidels Buchla, Vibes und präparierter Gitarre und die von Speras Drumming verdichtete Percussion mit Zuspielungen von Nicole van den Plas, seiner Partnerin einst in E.M.T. Deren schamanistischer Singsang, ihre Pfeifen, Piano und Daumenklavier, dazu Gekrabbel auf Zither und Balalaika bohren zusammen mit Harths Dojirak ins kirrende und brodelnde Delirium ein Wurmloch bis ins indische Oudh. Durch das quoll die phantastische Geschichte der Begum Wilayat Mahal, die sich mit zerstoßenen Diamanten im Malcha Mahal das Leben nahm, und inspirierte zu den Titeln. Ähnlich weird, wenn nicht noch bizarrer und überwirklicher ist der akustische Gegenentwurf zu Sinn und Form, Maß und Ziel, Ersatzausdrücke: anarchisch, polymorph-pervers, unsystematisch offen, honigplastisch. Harths Laubhuettenästhetik bis hin zu "Kepler 452b Edition" (auf Kendra Steiner) ist eine Explikation dieser unbedingten Freiheit. Sein Tenorclash mit Seidels Buchla ist ein Triumph, aber wie van den Plas den Hexenbesen schwingt und was die sieben Spatzen unter ihrem Dutt da treiben, das setzt noch einige Zacken obendrauf.

[BA 92 rbd]

Kendra Steiner Editions (San Antonio, TX)




Wenn die Furie heuer gleich (und gleichzeitig) zwei Gründungsmitglieder von Jefferson Airplane wegraffte, bekommt das Codewort Tunnels (#333, CD-R) für das Gitarrensolo, das ERNESTO DIAZ-INFANTE 2014 Next Door to the Jefferson Airplane Studios San Francisco klampfte, eine vielsagende Schwingung. Der Furie hat freilich auch der hartnäckigste Maulwurf noch nicht entkommen können. Ich bin umso mehr versucht, die monotonen Schläge, mit denen unser Mann aus Salinas unermüdlich wie ein Uhrwerk die Saiten wie ein Akkordeon dröhnen lässt, eine Protestmusik zu nennen. Die der Zeit ihre eigenen Zähne zeigt, die den Sekunden sagt: Wir sind von gleicher Art, geht weiter. Es ist das, nach "Emilio" (2011) für Bajo Sexto, Electronic Tanpura & Singing Bowls und "Sol et Terra" (2015) im Duett mit Lisa Cameron, eine ausnehmend minimalistisch-repetitive Demonstration und Feier der, mit einem dröhnend summenden Bordun, der leicht indisch anmutet. Hatte "Sol et Terra" unter dem Zeichen der Tarot-Königin der Münzen und dem von Jefferson Airplane mit Sternen und den Rhinozerossen von Poonell Corners jongliert, geht es hier mit geschlossenen Augen um den bewegten Stillstand in einer klingenden Sphäre, um einen Schwebezustand, den eine beharrliche und ausdauernde Hand aufrecht erhält. 

BRIAN RURYK einen Gitarristen zu nennen, hieße den Spaß fast zu weit treiben. Aufgewachsen in Toronto unter dem Fluglärm des Pearson Airports und angefixt von "No New York", sieht er sich selber allenfalls als Gitarrenidioten, als primitiven Gitarrensimpel. Den Kram, den er seit über 35 Jahren macht, nennt er nicht "Guitar Ape" oder "Piece of Shit Guitar", um nach Komplimenten zu fischen. Wo sonst "Bitte nicht füttern" steht, steht bei Ruryk "Please Don't Encourage Me". Was er spielt ist Schrott. "Broken String, Less Work", so einfach ist das. Actual Size...degress again (#334, CD-R) bringt chadbournesches Freakout, Feedbackkrach und andern Krach. Das Tonband ist wie mit Machete zerstückelt, beschleunigt, verlangsamt oder an die Ziege verfüttert, die an der Müllkippe ihr Dasein fristet. Die Saiten gefetzt, gerupft, zerkratzt, bekrabbelt, geschruppt. Nichts bleibt am Stück, alles ist zerschnitten in winzige Kürzel, gestaucht, geloopt, vielspurig geschichtet, überschüttet mit schrottigem Krawall und perkussiver Randale, oder ein bisschen Piano, Radio, weiß der Teufel. 'Sweet Death' fällt aus dem Rahmen, wegen seiner 8:03 (neben zerkrümpelten 1-2 Min.), aber auch durch einen Auftakt wie mit Chorvokalisation. Der auf der Fletcher-Munson-Kurve skateboardende Irrwitz nimmt überdurchschnittlichen Realismus für sich in Anspruch, taugt aber auch als Verstörung und als Ausstiegsoption für die Unhappy Few. 2009 zählte Ruryk "Torture Time!" (Parachute, 1981) von Polly Bradfield & Eugene Chadbourne und "alles von Xenakis" zu den Schätzen seiner Plattensammlung. The MusicGallery, Toronto's Centre for Creative Music, präsentierte ihn 2015 als "local icon of abstract guitar" neben dem Trompeter Peter Evans, als 'Weird Doods' von vergleichbarer Weirdness. So kann's gehn. 

Darum, liebe Brüder, ein jeglicher Mensch sei schnell, zu hören, langsam aber, zu reden, und langsam zum Zorn. (Jak 1:19) Mit diesem guten Spruch lädt REVEREND RAYMOND BRANCH nicht nur die Kranken und Weggeschlossenen, seiner "Rainbow Gospel Hour" zu lauschen. 43 Jahre lang war der Frisör und Pastor der Heavenly Rainbow Baptist Church in South Los Angeles jede Sonntagnacht von 3 - 4 bei KTYM, Inglewood auf Sendung. On the Air! (#335, CD-R) bringt eine typische Stunde mit Aufrufen und Gospels zu Gitarre, Omnichord oder QChord, teils mit seinem Soulbrother Roland Payne. Es erklingen 'I’m Troubled', 'The Lord Will Make a Way Somehow', 'Step by Step', 'Milky White Way', 'I Want to Be Loved' und zuletzt die 'Ten Commandments of Maturity'. Dazwischen beschwört der Reverend den Glauben an den Glauben (Hebr 11) und zum Gottvertrauen (Psalm 27): Der HERR ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollt ich mich fürchten? Der HERR ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen? Nun, im Dunkeln und im Wald ist schon viel und viel umsonst gepfiffen worden. Weiter zu Psalm 23? Nicht doch. 

Montiert im LaubhuetteStudio Moonsun von ALFRED 23 HARTH aus 29 Facetten von teils weniger als 30, aber auch von über 240 Sekunden und sogar einer Passage von 6:40 erklingt auf Kepler 452b Edition (#336, CD-R) die 'Kepler Suite' als 'An allegory of life in an alien area'. Dass Mixmaster A23H damit nur seine koreanische zweite Heimat meint, wäre wohl zu kurz gegriffen. Die Soundstürme aus brausend beschleunigten und sausend überdrehten Spuren, aus flattrigen oder verzerrten Sounds, aus gestauchter Kotze aus Glotze oder Radio sowie aus dem Mashup geblasener, gepresster, getrappelter Töne und sogar aus durch diverse Vocoder gejagten Artikulationen bilden zusammen eine Xenophonie, die sich letzlich doch als der Noise und der Groove dieser Welt entschlüsselt. Mit Beschleunigung und Häufung unter fernöstlichen Vorzeichen aufgeschäumt als Overkill für die Sinne, stehen die Wonnen der Überforderung zur Debatte. Mittendrin auch kurz mit über-charlie-parkereskem Altosax, schnell aber wieder delirant zermulmt, verschliert, verhackstückt. Meist als sehr kleinteilige Bruitistik und erratisches Geschwirr, partiell aber auch mit noch erkenntlichen Gesangsfetzen oder Mundstückschmauchspuren. Dazu kommen rhythmisches Gepixel und Geklapper, brüchige Buddhamaschinenloops, Spieluhrklimbim, Loony-Tuning oder quäkige Katzenquälkakophonie. Letzlich aber immer wieder als die Herausforderung, sich diese Zumutung mit keplerschem Wagemut zuzutrauen, wobei allerhand groteske und saukomische Momente das 'Fremdeln' überspielen. 

Wenn zwei Gitarristen sich Broken Hands nennen, verrät das einiges. ANTHONY GUERRA ist einer davon. Er ist dazu auch einer der Vodka Sparrows und mit Antony Milton (von The Stumps) nannte er sich Paper Wings. Mit Black Petal betreibt er, dem zwischen Sydney, Tokyo, London oder Kawasaki nur schwer zu folgen ist, der in Antipan trommelt und bei Mysteries Of Love singt, ein eigenes Label. Dort ist 2011 erstmals Subtraction (#350, CD-R) erschienen, ein Guitar & Poetry-Meeting mit BILL SHUTE. Der Kendra Steiner Editor liest 'Marion, Texas', 'Deep Focus', 'Fourty-Four Harmonies', 'Kerrville, Texas', 'Marking Time' und 'Subtraction'. Shute bereist weiter seinen Heimatstaat, mit einem Auge wie Wim Wenders, mit einem Auge auch für den Mond.Nie übersieht er dabei die Habenichtse und streunenden Hunde. Die Gitarre plinkt dazu feindrahtig oder auch fernöstlich, zart und fast wie eine Harfe, wenn auch mal leicht verstimmt. Dass Shute dazu von Arbeits- und Obdachlosigkeit redet, von "idle holders of idle capital" und von Immigranten, verwundert, da man bei seinem träumerischen Vortrag solch kritische Nähe zum US-Alltag nicht vermutet. Aber auch: Gingerbread Men without appointments / sit on mahogany benches / waiting for time to start / or to stop. Shute sieht, denkt und fühlt mit verblüffend reicher Sprache, ohne lyrisch zu beschönigen oder ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Decisions made for us by puffy reptilian administrators trifft, was es zu treffen versucht. Umso gruseliger, dass Millionen seiner Landsleute dennoch ihr Heil von einem wild gewordenen Clown erwarten. An Shutes Gegenpol: No clocks, no cars... no need for locks on doors. Religionen und Parteien sind schon mit weniger und dümmerem Programm groß geworden. 

MASSIMO MAGEE ist in London auch schon mal in Rick Jensens Apocalypse Jazz Unit zu hören oder als Power Couple mit der Drummerin MiHee Kim. Music In 3 Spaces (#351, CD-R) bestreitet der Australier, der den Hörer mit den 26 CDs seiner "Collected Solos" gern mal überfordert, aber in seinem bevorzugten Format, solo, dafür dreidimensional. So bittet er um Aufmerksamkeit mit 'Concert' an Eb Clarinet, 'Living' an elektroakustischem Altosax, und 'Cyber' mit audiovisuell und digital ausgelesenem Sopraninosax. Magee macht nämlich auch Digital & Glitch Art, und er publizierte den antiutopischen Texttriptychon "Counter Culture - A Novel - In Three Parts". Eine Obsession für improvisatorische und klangliche Psychodramatik und die Wertschätzung für "On the Road", "Blood Meridian", "Infinite Jest" und "2666" zeichnen eine düstere Zukunft. Seine Konzerte sind dagegen Hirn-OPs ohne Betäubung, mit kakophonen Schnitten, zirkularen Wellen, Luftstößen und Klagelauten, je elektroakustischer und digitaler, desto stechender, perkussiver, schleifender, schleierhafter. 
                                                                                                                             
rbd in BA 91

Kendra Steiner Editions (San Antonio, TX)


Die sich da für Casual Luddites (#320, CD-R) zusammengetan haben, sind beides Wiederholungstäter auf KSE: der Gitarrist & Banjospieler TOM CREAN hat zuletzt "Wired Love" (#260) gezupft, MIKE BARRETT, einschlägig unter dem Namen Belltone Suicide, steuerte nach den "Non-Conformist Sessions" (#314) gerade erst "Wave Table Erotica" (#327) bei. Er ist ein großer Brodler, Prassler und Sprüher, während sein Partner pinke Dröhnwölkchen ans Firmament setzt, die er aus ganz gitarristischen Statements hervorgehen lässt. Im Wechsel dazu klampft er fröhlich Banjo, was im Zusammenklang mit einem R2-D2 mit Nervenzusammenbruch ziemlich schräg klingt. Überhaupt wird Kontrast groß geschrieben, wenn da der eine geschraubt röhrt, während der andre stur auf psychedelischem Parallelkurs bleibt. Andrerseits ist das Miteinander explizit Thema, neben Saigon, Hanoi und Cambodia, hindert aber nicht an getrennten Wegen oder Alleingängen. Barretts Spielzeugt zuckt und quiekt, knarzt und fiept, pumpt und gluckst, flattert und zwitschert wie unter den Fingern eines Flippercracks. Crean gibt sich sanft und cool oder, wieder mit dem Banjo, fernöstlich verzupft. Zu solcher Anarchie Art brut zu sagen, wäre freilich fartsy. 2015 war ein fleißiges Jahr für Marcus M. Rubio, der in Austin, TX, als MORE EAZE tolle Musiken macht. Mit "fine." für Drums & Pedal Steel Guitar und "(frail)" (mit Samples von Jim O'Rourke und Johannes Brahms!), jeweils als Kassette auf Full Spectrum Records bzw. Already Dead. Und mit einer ganzen Trilogie auf KSE, bestehend aus "Stylistic Deautomatization" (#293) und "Accidental Prizes" (#310), wobei ich jetzt erst Abandoning Finitude (#326, CD-R) mitbekomme. Aber damit endlich doch diesen außergewöhnlichen Komponisten, dessen Imagination ein Lotterbett für seltsame Bettgenossen ist und den KSE nicht umsonst als "the Van Dyke Parks of the noise- experimental music world" feiert. Man muss sich nur mal auf Bandcamp "(frail)" anhören: Musique concrète morpht von knistrig-granular zu ambient zu stürmisch brausend und liest unterweg eine American Primitive Guitar auf und Talkboxgesang eines Crooners wie Zapps Roger Troutman. Zu rubbeligem Vinyl gesellen sich elegische Strings und wieder souliger Schmus, zu Minimaltechnobeats und launigen Streichern beginnt ein intimer Popsong mit Hanna Campbells wunderbarer Altstimme usw. usw. Kurz, More Eaze erschafft "a music of infinite possibility". #326 hebt mit Loops einer besinnlichen Gitarre an, die sich kaskadierend und flirrend auflöst in einen Wirbel von Klangpartikeln. Plötzlich: Phantomchöre zu laschem Einhand- ticken. Und: Schnitt zu Ritualtamtam mit Handclapping und Telstar-Theremin. Über klopfendem Techno- und Tickelbeat wölken sich vage Vocoderstimmen, und: ein verklumpendes Streichquartett, und: der Lerchengesang einer Violine, gegen den die Katze die Krallen ausfährt (in Gestalt kratzender Geigen).Jetzt: eine Gitarre für einen Songwritersong wie von David Grubbs, gefolgt von huschenden Irritationen im Stereoraum, die in exzessivem Gitarrenfuror eskalieren. Quakende Noisepartikel wuseln erratisch umeinander, Synthisound brodelt, doch schon kehrt die faheyeske Gitarre wieder, gegen die jedoch Streicher anschrummeln, bis aus ostinatem Stakkato ein albern-simpler Orgelgroove entsteht, von Noisefraß gesprenkelt. Zu klackenden Sekunden schweifen Synthiklangwolken und himmlische Chöre. Den Schlusspunkt setzen Streicher und ein leicht verunklarter, dennoch süßer Song in Jim O'Rourke-Manier, über den sich aber saurer Regen wie aus Kübeln ergießt. Nicht ohne ein unverdrossenes allerletztes Gegenmotiv der Gitarre. More Eaze! More Eaze please! Liquid Sunshine (#328, CD-R) bringt vierhändige Percussion von LISA CAMERON & NATHAN BOWLES, beide mit einschlägigem Werkzeug inklusive Cymbals, dazu Kontaktmikrophonen seitens Cameron und Gongs und Bells bei Bowles. Es hebt an mit furiosem Schlaghagel über die Bleche, einem hochfrequent flackernden, flickernden, sirrenden Klangteppich, der die Ohren mitklingeln läst. Erst als das Thrashing transparenter wird, kommen auch holzige Schläge und dunkleres Rolling zur Geltung, bis zuletzt jeder einzelne Schlag zählt und die Gestik sich auf Schaben und Klacken fokusiert. Die beiden entfalten da emsig den üppigen Reichtum metalloider Nuancen, die Rhythmik ist dagegen am besten wohl mit 'wild' zu beschreiben. 'Rusty' ist ebenso ein zutreffendes Stichwort wie 'liquid'. Neben dem rappeligen Eifer vermittelt sich der große Spaß an klanglichen Finessen, die schrottige Möglichkeiten mit einschließen. '40 Days of Shrouded Demons' und 'Liquid Sunshine Redux' sind Livemitschnitte aus The Cellar in Blacksburg, VA. Die massive Dröhn- und Schlagkraft der beiden weist dem unverschämt geschwätzigen Publikum nur eine Nebenrolle zu. Cameron aka Dave Cameron oder Venison Whirled, genießt als das Unikum, das sie ist, ja schon einen gewissen Ruf, ihre Aktivitäten in Austins Undergroud, ob mit ST 37, The Rudy Schwartz Project oder Jandek, sind legendär. Ihr Partner in diesem manchmal Undercurriage genannten Duo hat mit der Steve Gunn Band, Pelt, den Black Twig Pickers oder der  Spiral Joy Band gespielt und könnte einem Cymbal selbst mit hinter dem Rücken gefesselten Armen Töne entlocken. Hier hört man die beiden unchained. Voilá! 

Wichtiger noch als das Zeichen, das KSE 10th Anniversary Album (#331, CD-R) setzt, ist das, wofür es steht: Die 330 seit dem 1.3.2006 von Bill Shute publizierten Gedichtbändchen und Tonträger, die eine mehrhundertköpfige KSE-Familie entstehen ließen, die wiederum die Aufmerksamkeit von Tausenden in der ganzen Welt auf sich zog. Shute hat diese Zwischenbilanz quasi schon auf den Punkt gebracht mit seinem Chapbook "Good To Do, Good To Have Done" (#329), das in einem billigen Hotel in Galveston County entstand, mit Madame Blavatskys "Die Stimme der Stille" im Ohr. Wobei "Inventing One's Own Land (#317) ebenso gut als Überschrift passen würde. 
Zumal "You build your own unique audience if you are doing unique work" die wohl wichtigste Erfahrung ist, die ihm diese Dekade einbrachte. Wie also einen Mann nicht beglückwünschen, der von sich sagen kann: "When I was a teenager in high school back in the mid-70’s, I was carrying around LP’s by Alfred 23 Harth, Captain Beefheart, Anthony Braxton, Faust, John Cage, Kim Fowley, The Spontaneous Music Ensemble, and the like, and I still am today! My core has not changed, but my scope has enlarged and grown exponentially." Einen Mann, der Hotelzimmer, statt mit Bibeln, lieber mit Gedichtbänden von Pablo Neruda ausstatten würde. Einen Mann, der dringend rät: "If you compete with anyone, compete with the greats in your own pantheon of greatness, NOT with your contemporaries, and create create create." Die dazu die Zeichen setzen, sind ERNESTO DIAZ-INFANTE mit seiner Gitarre; BRENT FARISS, ein offenbar mit If, Bwana geistesverwandter Dröhnminimalist aus Austin; die von dort nach Ithaca, NY wie vom Regen in die Traufe umgezogene Perkussionistin SARAH HENNIES; MATT KREFTING aus Easthampton, der mit Scott Foust in Dead Girl's Party und Idea Fire Company gespielt hat;  der umtriebige Eric Hardiman aka RAMBUTAN in Albany; der sopraninoschrille MASSIMO MAGEE; die postraffaelitische VANESSA ROSSETTO, die einen auf elysische Felder entführt; Ex-The Shadow Ring-Gitarrist und Kye-Labelmacher GRAHAM LAMBKIN mit unheimlichem Geflüster; der ebenfalls texanische Soundscaper DEREK ROGERS, der sich auf sonore Wellen einschwingt; und nicht zuletzt ALFRED 23 HARTH, der mit 'Kepler 452-B' gleich mal einen eventuell habitablen Kandidaten für Terra-Migranten begrüßt. 
                                                                                                                             
Rigo Dittmann in BA 89