Keine Musik diesmal,
sondern moon-sun-surreale Einflüsterungen des Laubhuettenvogels in Seoul,
autobiographische Glückskekstexte aus fünf Jahrzehnten, die einen huckebein
nehmen. Poesie mit Lichtzwang, Sprachkunst als Reißzweck, kranichklar,
karpfengrau, rabenschwer, elsterklug. Wortwitz und Textlust, koreanisiert mit
Sprachfibeln, User Guides, Benutzeroberflächen, Hintergrundsgerüchen. Borges
und Celan grimoirisiert, by heart und per Software, Verschreibkunst im
Delearyum, springend von Aleister und Alice zu Ufos über Oulipo, von 1966 zu
"Red Art" (1984) zu "Plan Eden" (1986) zu neologistischen G23-Gipfeln jenseits
von Kalkül. Als verrückter, absurder, heilig-profaner Katzengoldmacher und
Ginkgobeuysianer häuft Harth auf schmalem Weg ins azephalische HuxleyOrwell-Futur verarnoschmidtste AH-und Moiré-Effekte, mit Yi Sang und Bataille im
Gefieder. Der pfingstliche Ant-Zen-Kentaur zündet für den listigen Hubert
Bergmann 'Nasrudin's Meisterlampe' an, gedenkdankt Friedrich Kittler (1943-
2011), fragt "Wieviel Du verträgt dein Herz" und wechselt zwischen Scherben-
und Pilzgerichten täglich das Gesicht für die Quest der Evolution. Ab Seite 82
fängt prosaisches Neuland an, Briefe, Blogeinträge "Peripathy", Träume, Tourtagebuchnotate
(mit dem Shanghai Quintet in China, mit Gift Fig am Kap), fernöstliche
Tripreportagen, mit Geschichtsbewusstsein und feinem Ohr für den Clash of
Civilizations: "Buddha sitzt, Jesus hängt", koreanische Elster vs. japanische
Krähe. Allerdings erweist sich koreanische Schwarze Pädagogik unerwartet als
aufoktroyierte japanische und diese als Imitat preußischer 'Tugenden'. Oder
südafrikanische Armut als langes Nachbrennen 'kaukasischer Gräueltaten'. Mit
Grenzen als Dauerthema, so nah an der Grenze, dem Eisernen Dreieck, zwischen
Nord- und Südkorea als vermintestem Streifen der Erde. Harth w.s.burroughst
und ploogt in einem Sprachfluss ohne Ufer, Simple Deutsch kann him furchtbar
leckn. Er betreibt die Kunst, einer toten Hose all die Kunst zu erklären, die er
zwischen dem Ha und dem Ha in sich trägt. Er zieht fiktive Mixed-Media-Künstler
aus dem Hut, erfindet Ceeno Keerkenbow als Mynheer Peeperkorn der Neuen
Musik, Albern Hellmuth Boring für eine Parodie des NZfM-Jargons, betreibt selber
auch Frisörkritik. Seinen Japantourreport beendet er mit "Ja, Pan, ich tanze." Für eine Kyoto-Lecture brainstormt er über Jedi-Meister-Yoda-Grammatik, Peinlichkeit, Massenmörder (wie Bush) und Bauernopfer (nicht nur beim Schach). Merke:
"Mull-ah Nidur-san immerfremd muss bleiben!" (Mulla Nasrudin ritt bekanntlich rückwärts auf dem Esel). Harth taucht den Pinsel in "Mynonas Wohlwohnfarbkasten", dennoch entsteht nicht erst, wenn er die desasterkapitalistische Zukunft
wahrsagt, ein Vanitas-Bild (mit Nipper). Er korrespondiert mit Wolfgang Müller
über die Walther von Goethe Foundation Seoul, phantastert 23 Tage lang mit an 'Die Dschungel. Anderswelt', dem Blog von Alban Nikolai Herbst ("Wolpertinger oder Das Blau") und würzt dessen 'Kybernetischen Realismus' mit dem 'Réalisme spéculatif' von Quentin Meillassoux. Er schreckt nicht zurück vor "Dieb Burble, verzettel dich nich", "Der Schlingel siefte" oder "Häscher im Weizen". Daneben Herbststimmung mit Haifischknorpel & Algensuppe. Und Tigertristesse (der
letzte koreanische wurde 1923 von einem Japaner in Knickerbocker erschossen).
Um zuletzt "Moondada" zu rufen, koreanisch für "Tür zu." Nicht ohne einem Hugo Balls "Gadji beri bimba..." (übersetzt: Elster Beerenfutter) als koreanischen Floh ins Dada-Ohr zu setzen, via Briefen von Franz Eckert (1852-1916), dem Kapellmeister am koreanischen, ab 1910 japanischen Hof in Seoul, die von dort nach
Berlin gelangt waren. Dass der heutige 'Hof' der Präsidentin Park die Romanows
und Rasputin bescheiden aussehen lässt, ist Dadaismus der bösen Sorte. Das A23H-Lesebuch, ein "Bewusstseinsexpander" aus poetisch verspielten, persönlichen, immer geistesgegenwärtigen Fragmenten, ist, illustriert mit Zeichnungen,
Radierungen und Frottagen von ihm, Avant-Mixadelic, bei der man schnell nicht mehr weiß, wo einem, so "lachend seekrank", der Kopf steht. Was bleibt aber stiften lausbübisch stammelnde Dichter.
Rigobert Dittmann in Bad Alchemy 93