ALFRED 23 HARTH - JOHN BELL Campanula (Moloko+, Plus 95, w/ 48 p booklet)


Wie schon "Camellia" (Kendra Steiner Editions, 2015) ist hier vieles durch die Blume, die Glockenblume, und durch Poesie in Schwingung versetzt. Durch die poetische Synästhesie von Basho: Die Glocke hat den Tag hinausgeläutet. Der Duft der Blüten läutet nach. In Korea läuten sie wie Gongs. 'Revelations in Slow Motion' schwingt durch die Poesie von Bill Shute mit Buddha Bowls full of speech & circumstances. Durch die klingende Poesie von Klarinetten, Tenorsax, Melodika, E-Gitarre, Synthi, Dojirak (eine Lunchbüchse, mit Bogen gestrichen). Durch den poetischen Klang von Bells Name, seiner Vibraphone, Schrottgegenstände, Saiten, Küchentöpfen. In Harths Laubhütte wurden Jahre und Meilen aufgemischt mit dem Spirit des I Ging, die Interzone-Mashup-Technik von William S. Burroughs evoziert das gemeinsame Bordercrossing: Cross the border, close the gap / 'Choose your battles, wear the mask'. Die Lenden gegürtet mit Asteroiden, sitting alongside worried men and wooden soldiers, verbunden in der geteilten Vorliebe für Knarren und Karren, umschwirrt von B-movie sour-bites & impostor-complex scenarios. In Gwangju mit der Erinnerung an das Massaker 1980, in Tongyeong in memoriam Yung I-sang, überall mit Meister Beobjeongs "mu soyu" im Ohr: Entrümple dein Leben. Finde das Wahre im Vergänglichen, in Gebrochenem & Scherben. Reflect upon human history through the flower's bloom. Lerne neue Wörter: Senfblattkimchi, Asbestdach-Hanok, Frühjahrsmilitärmanöver, Art-illery, Cloud-Impro. Mit Klarinettenreveries, Stabspielklingklang, aber rumorend verschliert, verzerrt, zerkratzt in einem mehrstimmigen Morphen und Quallen, einem vielspurigen Pulsen, Knarzen und Schlurchen. Mit beiläufigem Rezitativ von Shute, der wie ein blinder Seher die Dinge durchschaut und beschreibt, ohne sich von der kakophonen Turbulenz verrückt machen zu lassen. A23H konterkariert die geblasenen Lyrismen - ach, allein sein 'Trying not to...'-Solo - mit jaulenden und keckernden Lauten, die er dem Dojirak entlockt. Auch Bell kann schön carillonieren wie mit tönernen und gläsernen Glöckchen, angeblasen von bassklarinettistischem Zephyr. Ein Gong dongt, Harth raunt über grollendem Abgrund, bezischt und von einem Ufo umsaust. Bell pingt und paukt, umgirrt und bedröhnt mit koreanisiertem oder didgeridoo-dunklem Ton. Thesouthwind brings dust, der Westwind... Das Tenorsax flammt auf, die Zungen vermehren sich, Harth fischer-dieskaut und urmelt auf dem Eis zu windspielerischem Gamelan. Der Duft der Blüten läutet nach.  

[BA 97 rbd]

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