DEAD COUNTRY feat. ALFRED 23 HARTH Gestalt Et Death (Al Maslakh Recordings 15)


Im November 2011 war A23H in Istanbul verabredet. Der Gitarrist Umut Caglar, Synthienoise & Tape Delay und Anarchist Sevket Akinci an der zweiten E-Gitarre, Facebook-Bekannt­schaften, hatten ihn eingeladen, mit ihm und ihrer Band zu spielen,  Murat Copur am E-Bass und Kerem Öktem an Drums & Percussion. Von Dead Countrys 'Improvised Trash' führt eine ideelle Spur zu Eugene Chadbournes 'Hellington Country' und 'Kul­tural Terrorism' und eine manifeste in Gestalt einer Kollaboration auf Konnex Records (2010). Keine Ahnung, ob bei der Begegnung mit A23H von vornherein klar war, dass dabei Jazzcore à la Mevlevi meets Burroughs entstehen würde. William S., nicht Edgar Rice. Im Anflug hatte Harth ein Gedicht im An­denken an Friedrich Kittler geschrieben, der Dracu­las Vermächtnis weitergereicht, und, als Derwisch zwischen Medien und Musen, den "Taumel des Zu­sammenfalls" gefeiert hatte. In Maslak geriet er in einen Marvel-Comics-Taumel, begegnete X-23, Mer­cury (verkappt in 'Cessily in Liquid Form ...') und Lady Deathstrike'. Nicht a priori seine Welt, aber eine, in die er sich auf Anhieb mitreißen lässt, wobei er die Logik der Eskalation dieser Sonic Fiction deutlich selbst bestimmte. Der Dhikr hebt an mit rituellem Tamtam und Harthschem Gezüngel in den höchs­ten Tönen, dem er quäkende Mundstücklaute fol­gen lässt. Bei 'Fiery Red DC' setzen zu ekstatisch keckerndem Gebläse die Gitarren mit ein, schüren die Glut und überbrücken Harths Atempause, nach der er elektronisch flackernd wiederkehrt. Das synthiebetrillerte '96205 Ararat' wirkt wie die geis­terhafte Ruhe vor dem Sturm, dem der 'Lady Death­strike's Healing Force'-Dub entgegen driftet, durch­hallt von kaskadierenden Harthschen Rufen und seinem flatterzüngelnden Spitfire und von errati­schen Gitarrenschlägen und zuletzt hohem Jaul­faktor. Die verzerrt computerisierte, perkussiv um­kleckerte Stimme, elektronische und gitarristische Schlieren und Harths orientbluesige, zunehmend 'inspirierte' Klarinette schüren die Spannung, die mit jedem Schritt wächst, mit dem man, alarmum­jault, vor das Auge des Hurrikans tritt. Nach dem Mond greifen, vom Land erzählen können, wo Milch und Honig fließen. Geht es darum? Bei 'Mr. Bur­rough's Finger' geht es darum, den Feuerfinger ins Mondauge zu bohren, bei 'Jump Off the Time­stream' um den per Noise forcierten Sprung von den Zeitklippen. Als ein psychedelisches Delirium, in dem man ins Vergessen des Vergessens tau­melt, wieder mit Harthschen Rufen und zuletzt einem lang gezogenen Schrei. 

In Bad Alchemy 76 by Rigobert Dittmann