RED CANOPY (Kendra Steiner Editions, KSE #200, 3" CDr)

Dieses Kleinod hat seinen Namen von der roten Markise an Alfred 23 Harths Laubhuettestudiofenster in Seoul. Dahinter entstanden 7 kleine Stücke, in kreativer Spielerei mit Material, das schon 2005 im Hinblick auf den Mother-of-Perl-Release NUN aufgenommen worden war. Aus Spuren des Pianos von Soojung Kae und des Kontrabasses von Chang U Choi, dazu eigenen Reedklängen und einigen weiteren Zutaten, komponierte der große Laubhuettenfrosch Wunderkammerjazz oder, einfacher gesagt, Harthmusik. Für ihn sind es persönliche Notizen "über Leben & Leid", wie er es mir gegenüber nannte, Reminiszensen an eine Zeit, in der sich im Schatten der Erinnerung Erquickliches mit Unbehaglichem mischt. Für unsereins sind es Klanggedichte. Er bettet seinen klangvollen, hitzigen, bei '8th day' sogar im Chor aufflackernden Bassklarinetten- oder Tenorsaxophonton auf sonores Pizzikato und träumerische Pianonoten, teils auch auf düstere Clusterschläge oder seltsam verbogenen Innenklavierklang. In das tiefmelancholische Tête-à-tête von 'Shining' greift er erst spät ein mit der ganzen Jämmerlichkeit, die er aus einem Taepyeongso, einer koreanischen Oboe, quetschen kann. Bei '13th month' legen sich dissonante Gitarrenlaute und kantige Pianonoten gegen das Tenorsax quer. Den Katzenjammer von 'Un soir at Yeonhee II' kann ich erst allmählich als schrille Basskakophonie erkennen, bevor sie Choi mit sonoren Strichen verwischt. Die Stückchen sind innen größer als außen. Die enigmatische Verwandlung von Bewegung und Farbe in Gedanken und Gefühle gelingt Harth, als wäre das Studio kein bloßes Instrument, sondern ein Alchemistenofen.


In BA 71 by Rigobert Dittmann

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